Der Kanton Aargau möchte das Mountainbiken im Wald komplett verbieten. Mountainbikes dürften nur noch auf mindestens 2 Meter breiten Strassen fahren.
Der Kanton plant eine Revision des Waldgesetzes und führt eine Vernehmlassung dazu durch. Sie dauert bis zum 2. September 2022.
Die geplanten Anpassungen sind hier aufgeführt:
Dieser Link führt zu den Vernehmlassungsunterlagen des Kantons: https://www.ag.ch/de/aktuell/anhoerungen-vernehmlassungen/laufende-anhoerungen?dc=17629dae-4ed3-4525-b378-5b87e121381e_de
Der folgende Link führt zu grundsätzlichen Erläuterungen zur e-Anhörung: https://www.ag.ch/de/aktuell/anhoerungen-vernehmlassungen?jumpto=MjIzNDEzNS81OWNjNmIyYS03OThjLTQ5NGItODE2OC0zNjAzMzU1YzVhNzk
Relevanz der Revision für den Mountainbike Sport
Die Revision behandelt viele Themen welche zum grössten Teil sinnvoll erscheinen. Leider ist in der Revision auch – gut versteckt – ein Totalverbot für Mountainbiking im Wald enthalten.
Die folgende Tabelle gibt einen groben Überblick über die Themen der geplanten Gesetzesrevision:
Thema | MTB-Relevanz | Kommentar | ||
Schutzwaldpflege | Keine | Grundsätzlich gute Anpassungen am Gesetz. | ||
Waldtypische Gefahren | Indirekt | Der Waldbesitzer haftet nicht mehr für waldtypische Gefahren. Das ist gut so für Mountainbiker. Der Waldbesitzer muss so weniger damit rechnen, für Mountainbike-Umfälle haftbar gemacht zu werden. | ||
Zonen für Freizeitnutzungen im Wald | Sehr gross | Das Thema ist unten in einem eigenen Abschnitt behandelt. | ||
Ausgleich erheblicher Vorteile | Keine | |||
Waldstrassenplan | Sehr gross | Das Thema ist unten in einem eigenen Abschnitt behandelt. | ||
Waldentwicklungsplan | Keine | |||
Förderung der Holzverwendung | Keine | |||
Mehrwertsteuer und digitale Prozesse | Keine | |||
Verfahrensbestimmungen | Indirekt | Das Bewilligungsverfahren für Grossanlässe im Wald (z.B. Velocross auf der Baldegg) würde vereinfacht. Es wäre nur noch eine Bewilligung einzuholen. Aktuell reden zwei Bewilligungsinstanzen mit. Dieser Punkt dürfte bei Naturschützern auf Ablehnung stossen. |
Anpassungen am Waldstrassenplan
Auf Bundesebene ist im Strassenverkehrsgesetz (siehe https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1959/679_705_685/de#a43) festgelegt, unter welchen Bedingungen Velos im Wald fahren dürfen. Das Gesetz ist offen formuliert und verbietet Mountainbiking im Wald beziehungsweise auf Trails nicht grundsätzlich.
Aktuelle, verständliche Erläuterungen zu diesem Gesetzt sind hier zu finden: https://www.bfu.ch/de/services/rechtsfragen/wo-darf-ich-mit-meinem-mountainbike-mtb-fahren
Weil also das Gesetzt auf Bundesebene mountainbike-neutral bis -freundlich formuliert ist, kommt den kantonalen Gesetzestexten entscheidende Wirkung zu.
Der Kanton Aargau will mit der geplanten Revision ein extremes, mountainbike-feindliches Gesetz in Kraft setzen: Mountainbikes dürften mit der neuen Regelung im Wald nur noch auf mindestens 2 Meter breiten Strassen fahren:
§ 6 AWaG (Richt- und Nutzungsplanung) erwähnt die zonenrechtlichen Voraussetzungen für intensivere Formen der Freizeitnutzung im Sinne des aktuellen Richtplans noch nicht explizit. Das Aargauer Waldgesetz wird deshalb im Sinne des Richtplanbeschlusses ergänzt.
Das Fahren und Reiten abseits von Waldstrassen und Waldwegen gehört zu den unzulässigen nachteiligen Nutzungen gemäss § 13 AWaG. Der Gemeinderat kann bei Vorliegen wichtiger Gründe, mit Zustimmung der Waldeigentümerin oder des Waldeigentümers und des Kreisforstamts, das Reiten und nichtmotorisierte Fahren abseits von Waldstrassen und Waldwegen auf einzelnen Strecken in der jeweiligen Gemeinde ausnahmsweise bewilligen (§ 23 Abs. 1 AWaV). Mit Waldstrassen und Waldwegen sind befestigte, mindestens 2 m breite Wege gemeint.
Anhörungsbericht, Seite 12
Durch diese «Präzisierung» der kantonalen Gesetzgebung würde neu auf kantonaler Ebene festgelegt, dass Mountainbikes nur auf mindestens 2 Meter breiten Strassen und fahren dürfen. Die bisherige Regelung war theoretisch auch so, nur eben nicht so explizit im Gesetz festgehalten.
Dadurch hat ein Förster heute einen Ermessenspielraum, Trails zu akzeptieren – oder eben auch nicht. Mit der geplanten Gesetzesänderung hätte jeder Mountainbike-Hasser eine Rechtsgrundlage um auch bei einem freundlich gesinnten Förster jegliche Trails schliessen zu lassen.
Die Möglichkeit für Ausnahmebewilligungen scheint mir eine rein theoretische Option zu sein.
Zonen für Freizeitnutzung im Wald
Die im neuen Gesetz erwähnten «Zonen für Freizeitnutzung» erscheinen mir als Zuckerguss um das Mountainbike-Verbot (siehe Waldstrassenplan) zu kaschieren.
Die Gesetzesanpassung formuliert in «kann»-Form, was Gemeinden bereits heute in eigener Kompetenz realisieren/bewilligen könnten – wenn die üblichen Einsprachegruppen (Förster, Jäger, Naturschutz) nicht wären.
Das revidierte Gesetz würde das Bewilligungsverfahren für solche Zonen nicht vereinfachen.
Jede Zone ist an das Waldgebiet einer Gemeinde geknüpft. Bei gemeindeübergreifenden Zonen müsste das Bewilligungsverfahren in allen Gemeinden durchlaufen werden.
Mein Persönlicher Beitrag
Ich habe als Privatperson an der Vernehmlassung teilgenommen. Meine Antworten und Bemerkungen dazu findest du hier:
Weiteres Vorgehen
Sowohl Einzelpersonen als auch Organisationen können an der Vernehmlassung teilnehmen. Organisationen dürften jedoch mehr Gewicht haben.
Nach Ablauf der Anhörung wird die Gesetzesvorlage wohl vom grossen Rat behandelt. Wird das Gesetz mit mountainbike-feindlichen Inhalten verabschiedet, müssen wir Mountainbiker mit einer Unterschriftensammlung ein Referendum, d.h. eine Volksabstimmung verlangen – und gewinnen!
Was kann jeder Mountainbiker beitragen?
- Sich mit den geplanten Gesetzesänderungen vertraut machen
- Bike-Kollegen und -Kolleginnen informieren
- Politiker darauf ansprechen – speziell Grossräte
- Verantwortliche kantonale Beamte darauf ansprechen
Nachtrag vom 24.8.2022
Peter vom Verein Lägere-Biketrails hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die «2-Meter-Regel» zwar im Anhörungsbericht (https://www.ag.ch/media/kanton-aargau/portal/aktuell/anhoerungen/kanton/laufende/waldgesetz/anhoerungsbericht.pdf) zum neuen Waldgesetz aufgeführt ist, im tabellarischen Änderungsnachweis des Entwurfes (https://www.ag.ch/media/kanton-aargau/portal/aktuell/anhoerungen/kanton/laufende/waldgesetz/beilage-zum-anhoerungsbericht.pdf) jedoch kein Wort davon steht.
Für diese Inkonsistenz gibt es bisher keine Erklärung.